“Wo sehe ich mich in X Jahren?” (2021-02-16)

Ist einer der dümmsten Fragen, die ich je in meinem Leben gehört habe (und die man angeblich ernst nehmen muss).

Erstmal: Jede Möglichkeit, in die Zukunft zu schauen, verstößt entweder gegen das Konzept von freiem Willen, oder führt zu Paradoxien. Man gehe dafür folgendes Gedankenexperiment durch:

Eine Person geht zum Hellseher, der ihm vorhersagt, in 10000 Tagen wird er vom Bus überfahren. Als Reaktion trägt er sich den Tag in den Kalender ein und bleibt an besagtem Tag zuhause. Natürlich ist es der Tag, an dem ihm ein Bus durch die Wand rast.

Nun frage man sich nach der Kausalität in dieser Geschichte. Entweder die Vorhersage war genau so zufällig wie ich, wenn ich sage “der nächste Münzwurf wird Zahl sein”, oder um Paradoxien wegen kreisläufiger Kausalität zu umgehen, muss man in diesem Szenario auf freien Willen verzichten. Dass heisst, der Mensch hatte nie die (echte) Entscheidung, ob er an besagtem Tag zuhause bleibt. Ansonsten erhält man ein “Henne-Ei-Problem”: Wird erst über erst die Aussage des Hellsehers oder das Überfahren 10000 Tage danach entschieden? Nur ohne freien Willen kann man einfach behaupten, beides war von Anfang an entschieden (von welchen “Gott” auch immer).

Damit möchte nur klarstellen, dass ich es für naiv, gar religiös, halte, wenn Leute versuchen, die Aussagen, über die Zukunft zu machen.

“Aber Osh, die meisten statistischen Verfahren, etwa Wettervorhersagen, sind doch auch nur Aussagen über die Zukunft”

Das stimmt! Aber diese sind statistisch und nicht absolut. Hierbei lediglich versucht, aus vergangenen Datenpunkten eine Formel herzuleiten, die einem dann für neue Datenpunkte, z.B. Messungen eines Wetterballons, die Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Ereignisse genauer bestimmen lässt. Um beim Beispiel eines Wetterballons zu bleiben:

“Wenn die Luftfeuchtigkeit sehr hoch ist, ist die Wahrscheinlichkeit für Regen auch deutlich höher.”

Das war keine absolute Aussage, ob es Regnen wird.

Nun warum hasse ich die Frage aus dem Titel nun so? Ganz einfach: Weil ich mit einer erst gemeinten Antwort genau da gegen verstoße, was ich zuvor in diesem Eintrag zu erklären versucht habe. Ich hab keine Ahnung, was alles in drei oder fünf Jahren auf diesem Planeten passieren wird. Und das letzte Jahr hat das bestimmt auch vielen anderen klargemacht.

Aber nein, ersthaft. Ich kann auf diese Frage keine Antwort geben. Genau so wenig, wie das Unternehmen, bei dem ich mich bewerbe, mir sagen kann, ob es in X Jahren noch für den Markt relevant ist.

Soll ich genau so generisch antworten, wie die das tun würden:

“In X Jahren werde ich alle mit zu verfügen stehenden Möglichkeiten genutzt haben, um mein Leben so optimal zu gestalten, wie es die Situation erlaubt hat.”